Marktkommentar-Archiv

In unserem Archiv finden Sie chronologisch geordnet alle bisher erschienenen Marktkommentare von Claus Vogt. Wir wünschen Ihnen eine unterhaltsame und gewinnbringende Lektüre.

Ein Plus von 551 Milliarden Dollar

Weltweit wird das Bruttoinlandsprodukt (BIP) als die maßgebliche Größe zur Berechnung des Wirtschaftswachstums verwendet. Das BIP „misst den Wert der im Inland hergestellten Waren und Dienstleistungen, soweit diese nicht als Vorleistungen für die Produktion anderer Waren und Dienstleistungen verwendet werden“, erfahren wir auf der Homepage des Statistischen Bundesamts.

Wie sinnvoll die Kennzahl BIP zur Beurteilung der ökonomischen Lage einer Volkswirtschaft tatsächlich ist, möchte ich hier nicht diskutieren. Es soll der Hinweis genügen, dass rund ein Drittel des ausgewiesenen BIP auf statistischen Annahmen, Modellierungen, Anpassungen und Bereinigungen beruht, und somit nur einen sehr vagen Realitätsbezug hat.

Ganz in diesem Sinne wurde per 31. Juli 2013 die Methode zur Berechnung des US-Bruttoinlandsprodukts einer großen Revision unterzogen. Auch hier werde ich Ihnen die Details ersparen und gleich auf das Ergebnis zu sprechen kommen: Nach der alten Methode betrug das US-BIP im ersten Quartal 2013 15,984 Billionen Dollar. Nach der neuen Methode sind es 16,535 Billionen. Wie durch Zauberhand ist die US-Wirtschaftsleistung ab sofort also um stattliche 551 Milliarden Dollar größer als bisher.

Aufstieg und Niedergang

Wer jemals ein Geschichtsbuch durchgeblättert hat, müsste es eigentlich wissen: Nur die Veränderung hat Bestand. Völker und Herrscher, Nationen und Weltreiche, Währungen und Zentralbankbürokraten, Haussen und Baissen, Aufschwünge und Rezessionen: Sie alle kommen und gehen. Aufstieg und Niedergang, Werden und Vergehen beherrschen den Lauf der Zeit. Und schon die Bibel weiß von fetten und mageren Jahren zu berichten.

Die ersten, die glaubten, den Lauf der Welt aufhalten zu können, waren Kommunisten und Sozialisten. In den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts versuchten sich natürlich auch die Nationalsozialisten, die ja ebenfalls Sozialisten waren, an dieser herkulischen Aufgabe, die mit menschlichen Fähigkeiten nicht zu bewältigen ist.

Nicht „buchstäblich“, aber als „elektronisches Äquivalent"

Am Mittwoch, den 17. Juli 2013 war es wieder einmal soweit. Der Präsident der US-Zentralbank Ben Bernanke legte dem US-Kongress seinen Rechenschaftsbericht vor und stellte sich anschließend den Fragen der Abgeordneten. Die überwiegende Mehrheit dieser Abgeordneten versteht von Geldpolitik ungefähr so viel wie Angela Merkel, Jürgen Trittin, Guido Westerwelle, Gregor Gysi oder Erich Honecker selig. Umso erstaunlicher ist es, dass sich dennoch ein Abgeordneter fand, der folgende tiefschürfende Frage stellte:

„Drucken Sie Geld?“

Die simple Antwort Bernankes, der einer der größten Gelddrucker und Marktmanipulateure aller Zeiten ist, besticht nicht nur durch ihre Schlichtheit, sondern auch durch ihre Ehrlichkeit. Sie lautete:

„Nicht buchstäblich.“

Und damit war die Kuh vom Eis. Denn in einer Welt, in der Bargeld, das gedruckt werden muss, fast keine Rolle mehr spielt, bedient sich die Zentralbanknomenklatura natürlich nicht der Gelddruckmaschine, um die Geldmenge zu erhöhen, sondern etwas modernerer Methoden.

Bernanke selbst schrieb in seinem am 21. November 2002 erschienenen programmatischen geldpolitischen Strategiepapier, mit dem er sich für den Posten des Fed-Präsidenten erfolgreich bewarb, folgende Zeilen, die ihn vermutlich unsterblich machten:

„Aber die US-Regierung verfügt über eine Technologie, genannt Druckerpresse (oder heutzutage ihr elektronisches Äquivalent), die es ihr gestattet, ohne Kosten so viele US-Dollar zu produzieren, wie sie will.“

„Buchstäblich“ drucken Ben Bernanke und Konsorten also tatsächlich kein Geld. Stattdessen setzen sie in einem historisch einmaligen Ausmaß das „elektronische Äquivalent“ der Druckerpresse ein, um ihren Freunden in Regierungen und Großbanken eine helfende Hand zu reichen - auf Kosten des Steuerzahlers und des kleinen Mannes.

Klumpenrisiko am Derivatemarkt

Ende 2012 belief sich der Nominalwert aller von US-Banken gehaltener Derivatekontrakte auf 223 Billionen Dollar. Unter Einbeziehung der Bank-Holding-Gesellschaften sind es sogar 287,6 Billionen Dollar. Dieser Betrag entspricht dem 18-fachen des US-Bruttoinlandsprodukts (BIP) und dem 15,7-fachen der US-Aktienmarktkapitalisierung.

Die fünf größten US-Banken JPMorgan Chase, Bank of America, Citigroup, Morgan Stanley und Goldman Sachs vereinigen 95,6% dieser Summe auf sich, also Derivate im Nennwert von 274,9 Billionen Dollar.