Schlecht ist gut – Wie lange noch?- 26.04.2013

Schlecht ist gut – Wie lange noch?

Weltweit schwache Wirtschaftsdaten und Frühindikatoren

In den vergangenen Tagen und Wochen wurden nahezu weltweit schwache Wirtschaftsdaten veröffentlicht. Sowohl die Unternehmensgewinne als auch die gesamtwirtschaftlichen Kennzahlen enttäuschten auf breiter Front. Jüngstes Beispiel: die Einkaufsmanagerindizes für China, Europa und die USA. Diese wichtigen ökonomischen Frühindikatoren signalisieren für Europa nicht nur eine Fortsetzung der Rezession, sondern ihr Übergreifen auf die bisher weitgehend verschont gebliebene deutsche Wirtschaft.

Für China und die USA deuten die Indikatoren auf einen Abschwung hin, haben aber noch kein Rezessionsniveau erreicht. Ihr deutlicher Rückgang spricht allerdings klar gegen die aktuelle Mehrheitsmeinung, die für beide Länder einen Aufschwung im zweiten Halbjahr erwartet. Wie schon in den vergangenen beiden Jahren, wird sich diese Erwartung wohl wieder nicht erfüllen.

Aktienmärkte reagieren euphorisch auf schlechte Wirtschaftsdaten

Wer nur auf die Aktienmärkte blickt, bekommt von dieser traurigen Entwicklung allerdings nichts mit. Hier scheint die Welt - mit der bemerkenswerten Ausnahme Chinas - rundum in Ordnung zu sein. Und die Börsen Europas und der USA reagierten auf die jüngste Veröffentlichung der Einkaufsmanagerindizes sofort mit einem euphorischen Kursfeuerwerk.

Schlecht ist gut, heißt derzeit offenbar die Parole an der Börse. Denn eine schwache Wirtschaft, so die Logik, wird die Zentralbankbürokraten zu einer Fortsetzung beziehungsweise Ausweitung ihrer ultra-expansiven Geldpolitik animieren. Und das sei rundum bullish für die Aktienmärkte.

DAX, Momentum-Oszillator, 2012 bis 2013
Verkehrte Welt: Der DAX reagierte mit einem Kurssprung auf die Veröffentlichung von Einkaufsmanagerindizes, die sich auch für Deutschland auf Rezessionsniveau befinden.
Quelle: Quelle: www.decisionpoint.com

Die Abkoppelung der Aktienmärkte wird nicht von Dauer sein

Kann diese Logik wirklich stimmen? Wird sich die Börse dauerhaft von der ökonomischen Realität abkoppeln können? Werden die nach bewährten Kennzahlen der Fundamentalanalyse eindeutig überbewerteten US-Aktienmärkte trotz bereits stagnierender Unternehmensgewinne weiter steigen? Wird die US-Wirtschaft, die immer noch die Konjunkturlokomotive der Welt ist, den schmerzhaften Steuererhöhungen trotzen, die seit Anfang des Jahres in Kraft sind? Und wird die in diesem Zyklus auf Rekordniveau gestiegene Gewinnmarge des Unternehmenssektors, die sich rund 70% über ihrem langfristigen Durchschnitt befindet, dauerhaft in diesen luftigen Höhen verharren?

Ich glaube all das nicht. Denn alle diese Fragen hängen mehr oder weniger eng miteinander zusammen und laufen auf die entscheidende Kernfrage hinaus, die da lautet: Hat sich der hemmungslose Einsatz der Gelddruckmaschine, der in der Vergangenheit stets in der Katastrophe endete, in den Händen Ben Bernankes zu einem wundersamen Allheilmittel verwandelt?

Nein, natürlich nicht, werden die 48 Millionen US-Bürger sagen, die zum Überleben auf staatliche Lebensmittelmarken angewiesen sind.

Ja, natürlich, scheinen hingegen die Aktionäre auszurufen, deren Aktiendepots sich endlich wieder auf dem Stand von 2007 oder 2000 befinden. Diese Echoblase, so müssen sie wohl glauben, wird nicht platzen, weil Bernanke, Draghi, Kuroda und Konsorten den Umgang mit der Gelddruckmaschine mit einer Virtuosität beherrschen wie niemand jemals zuvor.

Ausgerechnet die Abschaffung der Marktwirtschaft erzeugt eine Spekulationsblase

Das Dreamteam der Zentralbankbürokraten hat die durch den Zusammenbruch des Kommunismus‘ völlig zu Recht in Misskredit geratene Planwirtschaft nicht nur wiederbelebt, sondern auf ganz neue Höhen gehievt. Schritt für Schritt ersetzt es marktwirtschaftliche Prozesse durch planwirtschaftliche Manipulationen. Und ausgerechnet an den Aktienmärkten wird diese antikapitalistische Politik mit steigenden Kursen begrüßt. Die Vorgänge an den Börsen haben inzwischen wieder ein Ausmaß angenommen, das sich nur noch als Spekulationsblase bezeichnen lässt, die nunmehr dritte seit Ende der 90er Jahre.

Die notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für die Entstehung einer Spekulationsblase ist überreichliches Geld- und Kreditmengenwachstum. Ein Blick auf die Entwicklung der Bilanzsumme der Fed verdeutlicht, dass diese Bedingung erfüllt ist. Neben dem geldpolitischen Treibstoff bedarf es aber auch noch einer mehr oder weniger guten Story, an der sich die Phantasie der Spekulanten und Anleger entfachen kann. Denn die Zentralbank kann zwar Geld erschaffen, aber sie kann nicht bestimmen, welchen Weg es nehmen wird, um seine preistreibende Wirkung zu entfalten.

Bilanzsumme der Fed in Mrd. $, 1984 bis 2013
Die Zentralbankbürokraten betreiben eines der größten geldpolitischen Experimente aller Zeiten. Wir alle sind die  Versuchskaninchen.
Quelle: Quelle: St. Louis Fed

Jede Spekulationsblase wird mit einer Story rationalisiert

Wie wir in den Jahren 2006/07 gesehen haben, kann diese Story die Form eines sehr plumpen Arguments annehmen - wenn es nur von den richtigen Leuten vorgetragen wird. Damals befeuerte und rationalisierte Alan Greenspan in seinem Amt als Fed-Präsident die Immobilienblase mit seiner absurden, aber nur zu gern geglaubten Behauptung, dass die Immobilienpreise in den USA nicht landesweit fallen könnten.

Deutlich intelligenter war hingegen die Story, die Ende der 90er Jahre den Neuen Markt und die NASDAQ beflügelte. Die offensichtlich stattfindende technische Revolution werde die bisher geltenden Regeln für Wirtschaft und Börse dauerhaft außer Kraft setzen. Wohlstand für alle sei endlich möglich - und im Zweifel durch Day-Trading der Massen zu erreichen.

Die mit Abstand kurioseste Story zur Rechtfertigung einer Spekulationsblase hören wir allerdings zurzeit: Vertraut den planwirtschaftlichen Fähigkeiten von Zentralbankbürokraten und Politikern, dann wird alles gut. Der Einsatz der Gelddruckmaschine wird diesmal nicht - wie stets in der Vergangenheit - Wirtschaft und Unternehmen schwächen und große Teile der Bevölkerung in Armut stürzen, sondern über steigende Aktienkurse ins Nirvana führen.

Die Finanzmarktgeschichte zeigt, dass alle Spekulationsblasen platzen. Sie hält aber noch eine andere in diesem Zusammenhang wichtige Lehre bereit: Der mit Abstand beste Inflationsschutz sind Edelmetalle und landwirtschaftliche Nutzflächen.

Nur diesmal soll‘s die Aktie sein? Die Aktie als finanzieller Heilsbringer in guten wie in schlechten Zeiten? Wenn ich diese Story nicht nahezu täglich hören oder lesen würde, ich könnte es nicht glauben.

Ich wünsche Ihnen ein erholsames Wochenende,

Herzliche Grüße,

Ihr

P.S.: Der Goldpreis hat die Hälfte seiner Crash-Verluste schon wieder aufgeholt. Vielleicht ist die Kaufgelegenheit bereits vorüber.