Erste Rezessionssignale und das Versagen der Zentralbanken- 11.06.2022

Erste Rezessionssignale und das Versagen der Zentralbanken

Liebe Leser,

als die Inflation voriges Jahr zu steigen begann, haben wir dieser wichtigen Entwicklung im Juli 2021 eine Themenschwerpunkt-Ausgabe gewidmet. Unser Fazit lautete: „Die Weichen stehen auf Inflation und lassen eine neue inflationäre Ära erwarten.“

Trotz der deutlichen Warnzeichen gingen die Zentralbanker nicht gegen die drohende Geldentwertung vor, sondern setzten ihre ultralaxe Geldpolitik unbeirrt fort. Zu ihrer Rechtfertigung ließen sie auf allen Kanälen verlauten, die hohe Geldentwertung sei nur vorübergehend und deshalb kein Problem. Inzwischen hat sich dieses Vorübergehend der Zentralbanker als vorübergehend erwiesen und ist aus ihren Pressemeldungen und Redemanuskripten verschwunden.

Zentralbanker missachten ihren Auftrag

Das neue Zauberwort heißt „sanfte Landung“, also keine Rezession. Angesichts der riesigen Spekulationsblasen und der mit ihnen einhergehenden realwirtschaftlichen Fehlentwicklungen und Ungleichgewichte ist dieses Szenario extrem unwahrscheinlich. Darüber hinaus ist es den Zentralbankern auch in Zeiten ohne Spekulationsblasen fast nie gelungen, eine sanfte Landung zu bewirken. Dennoch werden die Gelddrucker diese neue Sprachregelung wahrscheinlich bis weit in die nächste Rezession hinein beibehalten, um die Bevölkerung auch in dieser Hinsicht an der Nase herumzuführen.

Die mit Abstand wichtigste Aufgabe seriöser Zentralbanken besteht darin, für Geldwertstabilität zu sorgen. Daran gemessen, haben sie bei den aktuellen Inflationsraten von rund 8% kläglich versagt. Auch jetzt sind die Zinsen noch weit niedriger als die Geldentwertung. Das ist ein Skandal. Lagarde, Powell und Konsorten treten die Rechte der Bevölkerung mit Füßen – und unsere Politiker schweigen dazu.

US-Konsumentenvertrauen schon auf Rezessionsniveau

Einige wichtige makroökonomische Kennzahlen sind inzwischen schon auf Rezessionsniveaus gefallen oder stehen kurz davor. Eine davon, das US-Konsumentenvertrauen, zeige ich Ihnen auf dem folgenden Chart.

US-Konsumentenvertrauen, 1977 bis 2022
Der in dieser Grafik der Fed noch nicht erfasste Mai-Wert von 59,1 Punkten ist ein starker Hinweis auf eine bevorstehende oder sogar schon begonnene Rezession. Die hellgrauen Balken kennzeichnen Rezessionen.
Quelle: St. Louis Fed; www.krisensicherinvestieren.com

Wie Sie sehen, befindet sich das Konsumentenvertrauen in einem steilen Abwärtstrend. Im Mai 2022 ist es mit 59,1 Punkten auf ein neues zyklisches Tief gesunken. Damit befindet es sich bereits auf Rezessionsniveau (die hellgrauen Balken kennzeichnen Rezessionen). Dieser wichtige Wirtschaftsindikator gibt also schon ein klares Rezessionssignal.

Andere Kennzahlen, die ich in der aktuellen Ausgabe meines Börsenbriefes Krisensicher Investieren besprochen habe, bestätigen diese Warnung. Darunter befinden sich auch Indikatoren, die sich auf den Immobilienmarkt beziehen. In diesem volkswirtschaftlich sehr bedeutenden Sektor zeigt sich jetzt ein ähnlich bedenkliches Bild wie 2007/08. Damals führte die anschließende Immobilienbaisse nicht nur zu einer Rezession, sondern auch zu einer sehr schweren Finanzkrise.

Rezessionen gehen stets mit schweren Aktienbaissen einher

Unabhängig davon lässt die Finanzgeschichte aber keinen Zweifel daran, dass Rezessionen stets mit Aktienbaissen Hand in Hand gegangen sind. Es gab zwar Aktienbaissen, die nicht zu einer Rezession führten. Jede Rezession wurde aber von einer Baisse begleitet. Und wenn es zu Rezessionen kam, fielen die Kursverluste an der Börse besonders heftig aus. Sie tun also gut daran, sich auch jetzt auf weiter fallende Aktienkurse einzustellen.

Abkoppelung des Edelmetallsektors

Während wir für die allgemeinen Aktienmärkte starke Baissesignale erhalten, zeigen unsere Indikatoren und Modelle des Edelmetallsektors ein anderes Bild. Sie haben mittel- und langfristige Kaufsignale gegeben und deuten auf eine ähnlich starke Abkoppelung des Edelmetallsektors hin wie zuletzt im Jahr 2001. Damals halbierte sich der DAX, während der Goldpreis und die Kurse der Minenaktien starke Kursgewinne verbuchen konnten.

Der Edelmetallsektor gleicht einer stark gespannten Feder, deren Druck sich jederzeit in Form stark steigender Kurse entladen kann. Deshalb sollten Sie hier investieren. Konkrete Empfehlungen dazu lesen Sie in dem von mir und Roland Leuschel herausgegebenen Börsenbrief Krisensicher Investieren – jetzt 30 Tage kostenlos testen.

Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende,

Herzliche Grüße,

Ihr

P.S.: Der sogenannte „Stablecoin“ Terra ist von 120 $ auf 1 Cent gefallen, und der Bitcoin zeigt eine mächtige Topformation. Was das bedeutet, erfahren Sie ebenfalls in meinem Börsenbrief Krisensicher Investieren.

Was machen eigentlich ... meine Steuergroschen?

Schleppender Fortschritt bei der Digitalisierung von Verwaltungsleistungen

Wo sind sie denn nur hingekommen, meine Steuergroschen?
Autor: Gotthilf Steuerzahler

Liebe Leserinnen und Leser,

das Bundesministerium des Innern (BMI) erweckt durch seine Berichte und seinen Internetauftritt den Eindruck, dass die Digitalisierung der Verwaltung bereits weit vorangeschritten sei. Tatsächlich hat der Bund aber erst einen kleinen Teil seiner Verwaltungsleistungen vollständig digitalisiert.

Die Bundesregierung hat sich das Ziel gesetzt, dass Bürger und Unternehmen ihre Behördengänge digital abwickeln können. Mitte 2017 beschloss der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Verbesserung des Onlinezugangs zu Verwaltungsleistungen (Onlinezugangsgesetz – OZG). Es verpflichtet Bund, Länder und Kommunen, ihre Verwaltungsleistungen bis zum 31. Dezember 2022 online über Verwaltungsportale zentral und komfortabel anzubieten. Ihre jeweiligen Verwaltungsportale müssen sie zu einem Portalverbund verknüpfen.

Die Umsetzung des OZG ist eines der größten Digitalisierungsprojekte der Bundesrepublik Deutschland. Im Bundeshaushalt waren dafür ursprünglich Haushaltsmittel in Höhe von 500 Millionen Euro vorgesehen. Im Jahr 2020 hat der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages die Haushaltsmittel um 3 Milliarden Euro aufgestockt. Davon sind 50 Prozent für die föderale Umsetzung des OZG, 20 Prozent für die Umsetzung auf Bundesebene und 30 Prozent für Investitionen in die digitale Infrastruktur vorgesehen.

Der Bund muss über 1500 Verwaltungsleistungen digitalisieren

Bund, Länder und Kommunen haben ihre Verwaltungsleistungen in einem „Leistungskatalog der öffentlichen Verwaltung“ erfasst. Dieser umfasst mehr als 7600 einzelne Verwaltungsleistungen, die thematisch zu sogenannten OZG-Leistungen gebündelt wurden. Eine OZG-Leistung kann eine, aber auch mehrere Verwaltungsleistungen enthalten. Zum Beispiel sind in der OZG-Leistung „Prüfungen, Zulassungen und Zertifizierungen für Luftfahrtpersonal“ 83 einzelne Verwaltungsleistungen gebündelt. Das OZG wird in zwei Programmen umgesetzt: Digitalisierungsprogramm Bund und Digitalisierungsprogramm Föderal. Das Digitalisierungsprogramm Bund umfasst 1532 Verwaltungsleistungen, die in 115 priorisierten OZG-Leistungen gebündelt sind.

Bestimmte Reifegrade der Online-Verfügbarkeit müssen erreicht werden

Das OZG selbst legt nicht im Detail fest, wie Verwaltungsleistungen online anzubieten sind. Bund und Länder nutzen daher ein Reifegradmodell, mit dem sie die Online-Verfügbarkeit von Verwaltungsleistungen bewerten. Das Modell umfasst fünf Reifegrade mit den Stufen 0 bis 4. Reifegrad 1 liegt vor, wenn die Leistungsbeschreibung online verfügbar ist und zum Ausdrucken heruntergeladen werden kann. Reifegrad 2 ist erfüllt, wenn Verwaltungsleistungen z. B. über ein elektronisches Formular beantragt werden können. Reifegrad 3 setzt voraus, dass das Antragsverfahren vollständig digital abgewickelt werden kann, z. B. indem auch alle Nachweise online übermittelt und die Bescheide digital zugestellt werden. Erst mit dem Reifegrad 3 ist eine Verwaltungsleistung OZG-konform umgesetzt.

Das BMI spricht von einem hohen Anteil von Online-Angeboten

Im Oktober 2021 berichtete das BMI dem für die IT-Steuerung des Bundes zuständigen Gremium, dass für 85 der 115 priorisierten OZG-Leistungen aus dem Digitalisierungsprogramm Bund bereits Online-Angebote verfügbar waren (73,9 %). Gegenüber der Öffentlichkeit hatte das Innenministerium im September 2021 für die Bundesebene 72 OZG-Leistungen als „online verfügbar“ angezeigt. Bei seiner Berichterstattung bezeichnete das BMI auch solche OZG-Leistungen als „online verfügbar“, die erst den Reifegrad 2 erreicht hatten und damit noch nicht OZG-konform umgesetzt waren. Des Weiteren leitete das BMI den Reifegrad einer OZG-Leistung von der darin gebündelten Verwaltungsleistung ab, die den höchsten Reifegrad aufwies. Dies galt selbst dann, wenn alle anderen darin gebündelten Verwaltungsleistungen einen geringeren Reifegrad aufwiesen.

Nur wenige einzelne Verwaltungsleistungen haben die Reifegrade 2 und 3 erreicht

Ein Gutachter hat vor kurzem den Fortschritt des Digitalisierungsprogramms Bund auf Basis der einzelnen Verwaltungsleistungen untersucht. Er hat festgestellt, dass im September 2021 lediglich 58 von 1532 priorisierten Verwaltungsleistungen den Reifegrad 3 erreicht hatten und demnach OZG-konform umgesetzt waren (3,8 Prozent). Weitere 255 Verwaltungsleistungen hatten den Reifegrad 2 erreicht (16,6 Prozent). Im Ergebnis waren damit 313 von 1532 priorisierten Verwaltungsleistungen (20,4 Prozent) tatsächlich „online verfügbar“.

Das BMI muss zutreffend über Fortschritt der Digitalisierung berichten

Mit seiner geschönten Berichterstattung verfolgt das BMI offensichtlich das Ziel, die 115 priorisierten OZG-Leistungen des Bundes bis Ende 2022 als online verfügbar melden zu können. Die Entscheidungsträger auf Bundesebene können aus den Miteilungen des BMI zum Programmfortschritt nicht erkennen, welche enormen Restaufwände bis zum Jahresende 2022 für die Umsetzung des OZG noch zu leisten sind. Darüber hinaus wecken die Darstellungen des BMI bei Bürgern sowie Unternehmen falsche Erwartungen an das Online-Angebot der Verwaltung. Es bleibt festzuhalten, liebe Leserinnen und Leser: Das BMI muss sachgerecht und zutreffend über den Fortschritt bei der Umsetzung des OZG berichten. Wenn das geschieht, wird man wahrscheinlich den Gesetzgeber bitten müssen, die Befristung über das Jahresende 2022 hinaus zu verlängern, sagt wenig optimistisch

Ihr

Gotthilf Steuerzahler